Schweickert group
Forschung:
Wir untersuchen molekulare Mechanismen der Embryonalentwicklung am Modellorganismus Xenopus laevis, dem Afrikanischen Krallenfrosch. Neben Fragen der Grundlagenforschung bearbeiten wir zunehmend biomedizinische Projekte, in denen wir Allele von Genen untersuchen, die beim Menschen Krankheiten verursachen. Ein Schwerpunkt dieser Arbeiten liegt auf der Untersuchung von Ciliopathien, also durch Ciliendefekte verursachte Krankheiten, die heute für sehr viele Erkrankungen verantwortlich gemacht werden und an denen jeder ca. 300. Mensch leiden soll.
Themen und Projekte der AG Schweickert:
Ausbildung von Organasymmetrie
Bei der asymmetrischen Entwicklung der inneren Organe entlang der Links-Rechts-Körperachse entsteht im frühen Embryo ein linksgerichteter Flüssigkeitsstrom, der durch bewegliche Cilien hervorgerufen wird. Wir konnten in den letzten Jahren zeigen, dass als unmittelbarer Effekt des linksgerichteten Flüssigkeitsstroms ein Inhibitor des Wachstumsfaktors Nodal, der Dand5 genannt wird, unwirksam wird. Der Verlust der Dand5-Aktivität findet nur linksseitig statt, so dass Nodal seine Aktivität auch nur dort entfalten kann. Inzwischen wissen wir, dass hierfür posttranslationale Regulation notwendig ist und untersuchen, wie diese Regulation im Detail funktioniert.
Serotonin
Serotonin (5-Hydroxy-Tryptophan, 5-HT) wird auf Grund seiner zentralnervösen Rolle als Neurotransmitter häufig als Glückshormon bezeichnet. Depressive Menschen zeigen in den entsprechenden Gehirnarealen häufig eine reduzierte neuronale Serotonin-Ausschüttung. Die bei weitem häufigsten eingesetzten Antidepressiva (SSRIs) erhöhen die 5-HT Konzentrationen und wirken daher Stimmungsaufhellend. Auch Migräne, Schizophrenie und Essstörungen zählen zu den Serotonin abhängigen mentalen Krankheiten. Weniger bekannt ist jedoch, dass im Körper die größte Menge an 5-HT nicht-neuronalen Ursprungs ist, sondern von spezialisierten Zellen des Darmepithels synthetisiert wird. Über das Blutsystem wird 5-HT im ganzen Körper verteilt und entfaltet dort zahlreiche physiologische Wirkungen, die eine medizinische Relevanz besitzen können.
Die zellspezifische 5-HT Aktivität wird über membranständige Rezeptoren vermittelt, die in großer Anzahl im menschlichen Genom codiert sind. Derzeit sind 14 Serotoninrezeptoren (5-HTR) beschrieben, die in 7 Familien zusammengefasst werden (5-HTR1-7) und bis auf eine Familie (5-HTR3) G-gekoppelte Rezeptoren darstellen.
Serotonin und dessen Rezeptoren werden auf Grund der medizinischen Bedeutung stark untersucht, was sich in derzeit über 140000 gelisteten Publikationen in Pubmed wiederspiegelt. Dennoch konnten wir, während der Frühentwicklung von Xenopus, eine bislang unbekannte Funktion für den 5-HT3 Rezeptor nachweisen. Xenopus 5-Htr3 ist verantwortlich für die Spezifikation des LRO Vorläufergewebes und dessen Funktionsverlust führte entsprechend zu Links-Rechts Achsendefekten. Überraschenderweise zeigte sich, dass die 5-HT3 Funktion dabei für die Aktivität des canonischen Wnt-Signalwegs notwendig war, welcher letztlich für die Zellschicksalsentscheidung verantwortlich war. Dieser Befund belegte erstmals eine enge Interaktion von Serotonin- und Wnt-Signaltransduktion, welche gerade in Bezug auf die Krebsforschung relevant sein könnte.
Der Serotoninrezeptor 3 (5-HT3R) gehört zu der Klasse von Liganden-gesteuerten Ionenkanälen. Das menschliche Genom enthält 5 Gene (HTR3A-E), welche Untereinheiten des Rezeptors kodieren (5-HT3A-E, Abb.X) die generell aus einer Liganden-Bindedomäne (LBD) und vier Transmembranregionen bestehen. Die 5-HT3D Untereinheit ist eine Ausnahme, da sie keine LBD aufweist. Interessanterweise fehlen Nagetieren (Mäuse, Ratten) und niederen Wirbeltieren die HTR3C-E Gene, was deren experimentelle Untersuchung erschwert. Der Rezeptor selber besteht aus 5 Untereinheiten, die variieren können. Die Untereinheiten zeigen ein breites Expressionsprofil im menschlichen Körper, besonders stark jedoch im Magen-Darm Trakt. Zahlreiche menschliche Krankheiten beruhen auf einer 5-HT3 Rezeptor Fehlfunktion wie etwa Depression und das Reizdarmsyndrom. (vgl. Abb.10.)
Um zu klären ob die menschlichen 5-HT3 Untereinheiten einen Einfluss auf den canonischen Wnt-Signal nehmen können, haben wir sie in einem heterologen Ansatz in Froschembryonen untersucht. Dafür verwendeten wir die Achsen-induzierende Potenz des Wnt-Signalwegs, die bei Fehlinduktion zu siamesischen Zwillingen führt und als Doppelachsen-Assay bezeichnet wird (Abb.ZZA). Überraschendweise zeigte sich, dass die Fehlexpression der 5-HTR3D Untereinheit die durch den Wnt3a-Liganden induzierten Achsen fast gänzlich hemmte (Abb. ZZB). Alle anderen Untereinheiten zeigten in diesem experimentellen Setup keine Wirkung. Auch in Zellkultur konnten wir den negativen Einfluss der 5-HT3D Untereinheit auf den Wnt-Signalweg nachweisen. In beiden Systemen Froschembryo und Zellkultur zeigten die 5-HT3A und 5-HT3D Untereinheiten die gleiche subzelluläre Lokalisation (Abb. ZZ C-F), was auf die Konserviertheit des Mechanismus hindeutet. Diesen haben wir bislang in 4 Master-Abschlussarbeiten untersucht und konnten zeigen, dass 5-HT3D negativ auf die Wnt-Liganden Sekretion einwirkt. Diese erstmalige beschriebene Funktion scheint unabhängig von der Ionenkanal-Aktivität zu sein und eröffnet daher völlig neue Forschungsansätze. Genauere Analysen der übrigen Untereinheiten sind sowohl im Frosch- als auch im Mensch-System geplant. (vgl. Abb.11.)